20. Februar 2016

Rezension zu "Die Zelle" von Jonas Winner





Taschenbuch, Knaur TB
11.01.2016, 336 S.

ISBN: 978-3-426-51276-0


"Sie wollen mich nicht so, wie ich bin, deshalb geben sie mir die Tabletten. Damit ich mehr so werde, wie sie mich haben wollen."
Dieses verstörende Zitat des 11jährigen Sammy aus dem Psychothriller "Die Zelle" von Jonas Winner ist Ausdruck der Verwirrung, unter der der Junge leidet und die der Autor beim Leser zu stiften versteht.

Klappentext:
Sammy ist elf und gerade mit seinen Eltern nach Berlin gezogen. Im Luftschutzbunker der alten Jugendstilvilla, die die Familie in Grunewald bezogen hat, macht er eine verstörende Entdeckung. Ein vollkommen verängstigtes Mädchen, nicht viel älter als er, ist dort unten in einer Zelle eingesperrt, die man mit Gummifolie ausgekleidet hat. Nur durch einen winzigen Schlitz hindurch kann er sie sehen. Am nächsten Tag ist die Zelle leer, das Mädchen verschwunden. Und für Sammy kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben: seinen Vater.

Das Buch ist aus der Sicht des elfjährigen Protagonisten Sammy geschrieben. Als Leser begleitet man ihn auf der albtraumhaften Suche nach dem verschwundenen Mädchen, spioniert dem Vater nach und macht dabei beängstigende Entdeckungen und fragt sich die ganze Zeit genau wie Sammy, was Wirklichkeit und was aus Albträumen und Fehlinterpretation von Ereignissen hervorgerufene Fiktion ist. Der Autor versteht es dabei hervorragend, die Unklarheiten und das Nichtwissen bis zum Ende aufrecht zu erhalten, was eine sehr spannende und abgründige Geschichte erzeugt.

Sammy's Vater ist gekonnt dargestellt als melancholische Persönlichkeit, die den Sohn Sammy liebt, jedoch große Zweifel beim Leser hervorruft in Bezug auf den Umgang mit seiner Familie. Er schreibt düstere Musik für schaurige und grausame Filme, wozu er sich in entsprechende Stimmungen versetzen muss. Sammy und der Leser hegt berechtigte Zweifel darüber, wie weit er für seine Arbeit gehen würde.
Zitat von Sammy's Vater:
"Deine Tränen, Sammy, es waren deine Tränen, wenn ich dich weinen gehört habe, war das die Musik, die ich suchte."

Die Handlung spielt sich an einem düsteren Ort ab, die alte Villa in Berlin-Grunewald und auch der Bunker im Garten der Villa sind detailreich und sehr bildhaft beschrieben, so dass beim Lesen die gruselige Stimmung und Sammy's Angst greifbar wird.

Jonas Winner versteht es sehr geschickt, scheinbar normalen Situationen an Sommertagen im hellen Sonnenschein im Garten oder gemütlichen alltäglichen familiären Zusammensein einen Anstrich des Zweifels beizufügen, so dass man sich als Leser ständig fragt, was als nächstes passieren wird.
Dabei kommt die Geschichte trotz der hohen Spannung ohne viel Blut aus, was die Bezeichnung Psychothriller rechtfertigt.
Zitat von Sammy über seinen Vater:
"Und was in seinem Kopf wütet, was in seinem Bauch schwelt, ist hundert-, tausend-mal stärker als das, was um ihn herum geschieht."

Fazit:
Das Buch ist ein gelungener, spannender Psychothriller über albtraumhaften Erlebnisse eines kleinen Jungen, bei dem man sich bis zum Schluss fragt, was Wahrheit ist und was der Fantasie des Protagonisten entspringt. Ich vergebe vier Sterne.

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